Thema: hofbauerkongress
07. Januar 14 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Erster Film im Programm des 12. außerordentlichen Filmkongresses des Hofbauer-Kommandos: Ein bayerisch-winterliches Wohnstuben-Drama rund um ein Verbrechen, dessen Dimensionen sich erst nach und nach entblättern, mit kerniger Altmänner-Brunft und einem Schulterschluss zwischen Klerus und Exekutive, der nochmal ungute Erinnerungen weckt.
Bemerkenswert, wie sehr dieser Film noch 1968 in der Männerwelt des Kinos der 40er und 50er verhaftet ist, bemerkenswert auch, wie sehr der Film den Generationenkonflikt der späten 60er vom Alpenrand aus allegorisch perspektiviert und sich dabei sehr auf Seite des Althergebrachten stellt, nicht ohne dabei aber - tolle schizophrene Position - den Möglichkeiten der sich abzeichnenden Liberalisierung im Kino hinterher zu lüstern (gleich am Anfang werden eingeseifte Autoscheiben mit eingepackten Frauenbrüsten gewischt...).
Am sinnfälligsten zeigt sich diese Schizophrenie nicht nur in der Hauptfigur Peter Kremer (Erich Fritze), der "nach 20 Jahren" in Kanada, wo er offenbar Hemingway-artig dem Männertum nachging und nebenbei noch ein Großunternehmen aufbaute (in noch älteren Filmen würde man wohl sagen: "ein doller Typ"), nach Deutschland - genauer: nach Bayern - zurückkehrt, also eine Figur aus einer 1968 eigentlich schon längst vergangenen Zeit darstellt, sondern auch in der Figur des Dorfpfarrers, den Günter Hendel (als Regiedebütant, der sich sehr eindeutig nicht der Aufbruchstimmung des "Jungen Deutschen Films" verpflichtet sieht) kurzerhand selbst spielt: In der ersten und ziemlich neben dem Film stehenden Sequenz rettet er eine junge Eva (Doris Arden) aus dem Sündenpfuhl einer Münchner Bar und zeigt sich dort schon für einen Mann seines Berufsstands erstaunlich hemdsärmelig, um nicht zu sagen: schlagkräftig. Auch ist er einem guten Tropfen stets zugeneigt, raucht, trainiert die ihm anvertrauten Kinderchen im Boxunterricht, klüngelt mit dem Dorfpolizist, den er beim Glücksspiel regelmäßig ausnimmt. Wirkliche Herzlichkeit gibt es bei diesem Pfarrer nur zum Preis zuvor durchlittener Kaltherzigkeit, wie sich in einer Szene zeigt, in der er einen offenbar aus ärmlichsten Verhältnissen kommenden Jungen, der sich am kirchlichen Opferstock bedient hat, erst einmal gehörig auflaufen lässt, bevor er herablassend Gnade vor Strafe walten lässt.
Kremer holt sich eine junge Frau, Kitty (Erika Remberg), samt deren kränkelndem, den Künsten (und dem erotischen Super8-Film...) zugeneigten Jochen (Lutz Hochstraate) auf sein Landhaus. Zuvor stand Kitty nur in ein Handtuch gehüllt vor seinem Hotelzimmer (ein Wüstling habe ihr die Kleidung zerrissen und mitgenommen), da nahm er sie kurzerhand bei sich auf - natürlich im Wissen darum, wie man sich vor einem Spiegel positionieren muss, um als Galant der alten Schule dennoch voll auf seine Kosten zu kommen, wenn man sich schon umdreht, damit eine Dame sich bekleiden kann.
In einer Szene - der Pfarrer spielt mit den Kindern Fußball (natürlich gehen sie ihm nicht hart genug an den Ball), während Jochen sich in Schussnähe seinen Weg durch den Schnee bahnt - greift der Pfarrer unter den Augen des Dorfpolizisten zum Ball, bringt sich in Position und donnert dem verweichlichten Jüngling das Geschoss mit derartig viel Karacho ins Gesicht, dass dieser sich - quittiert vom Lachen der Polizei - im Schnee stöhnend lang legt. Der Kerl ist ihm nicht ganz geheuer, lacht sich der Pfarrer mit der Polizei eins. Für einen Film, der im Titel von Zärtlichkeiten in Hülle und Fülle schwärmt, ist dieses Stück Film gewordene Trivialliteratur aus beeindruckend viel Härte geschmiedet.
Auch deshalb erinnerte mich der Film zuweilen an die Welt aus Fix & Foxi und wie darin Lupo, als Repräsentant einer nachwachsenden Generation, die männlicher Härte und preußischem Arbeitsethos den Müßiggang vorzieht, immer wieder unter allerlei Häme gemaßregelt wird. In einer Episode interessiert sich Lupo sogar für moderne Kunst, was dazu führt, dass seine "Klecksereien" am Ende unter allgemeinem Gelächter den Flammen eines Lagerfeuers überantwortet werden.
Wobei ... soviel nackte Zärtlichkeit sich natürlich insofern absichert, dass der jungen Generation nur die bösesten Absichten unterstellt werden. In Kremers nach alter Manier eingerichteter Wohnstuben-Welt - die mit einer Küche bestückt ist, die Kitty "nie wieder verlassen wird", wie sie beim Betritt des Hauses jubelt - gibt sich alsbald ein perfide eingefädelter Plan zu erkennen, dem sich Kremer, als auserkorenes Opfer der jungen Bande, nicht nur durch alter Männer Instinkt, sondern auch durch seine in Kanada erworbene Gabe, nunmehr "auch Reißzwecken verdauen" zu können, entwindet.
Unzweifelhaft ist Hendel ein geschickter Regisseur, der für das, was er im Sinn hat, schlicht Jahre zu spät kam. Im Grunde ist er Klassizist mit einer Liebe für das amerikanische, in Wohnungen angesiedelte Drama mit cleverer Konstruktion. Tatsächlich ist ... soviel nackte Zärtlichkeit insbesondere auch als Krimi hervorragend erzählt und schafft es, sein Publikum an der Nase lange an der Nase herumzuführen. Psychotronisch von einigen Weihen ist eine Szene, in der der kränkelnde, aber stets lüsterne Jochen die junge Eva mittels Super8-Schmierfilme (deren Gehalt der Fantasie des Publikums überlassen bleibt, wie hier überhaupt alles, was im Sinne des Titels aufreizend sein könnte, durch Eigenleistung des Publikums an den Film herangetragen werden muss) in den Bann der körperlichen Lüste schlägt. Als Zeugnis eines eisernen Beharren-Wollens hat mir ... soviel nackte Zärtlichkeit herausragend gut gefallen.
Siehe auch: Lukas - Oliver
Bemerkenswert, wie sehr dieser Film noch 1968 in der Männerwelt des Kinos der 40er und 50er verhaftet ist, bemerkenswert auch, wie sehr der Film den Generationenkonflikt der späten 60er vom Alpenrand aus allegorisch perspektiviert und sich dabei sehr auf Seite des Althergebrachten stellt, nicht ohne dabei aber - tolle schizophrene Position - den Möglichkeiten der sich abzeichnenden Liberalisierung im Kino hinterher zu lüstern (gleich am Anfang werden eingeseifte Autoscheiben mit eingepackten Frauenbrüsten gewischt...).
Am sinnfälligsten zeigt sich diese Schizophrenie nicht nur in der Hauptfigur Peter Kremer (Erich Fritze), der "nach 20 Jahren" in Kanada, wo er offenbar Hemingway-artig dem Männertum nachging und nebenbei noch ein Großunternehmen aufbaute (in noch älteren Filmen würde man wohl sagen: "ein doller Typ"), nach Deutschland - genauer: nach Bayern - zurückkehrt, also eine Figur aus einer 1968 eigentlich schon längst vergangenen Zeit darstellt, sondern auch in der Figur des Dorfpfarrers, den Günter Hendel (als Regiedebütant, der sich sehr eindeutig nicht der Aufbruchstimmung des "Jungen Deutschen Films" verpflichtet sieht) kurzerhand selbst spielt: In der ersten und ziemlich neben dem Film stehenden Sequenz rettet er eine junge Eva (Doris Arden) aus dem Sündenpfuhl einer Münchner Bar und zeigt sich dort schon für einen Mann seines Berufsstands erstaunlich hemdsärmelig, um nicht zu sagen: schlagkräftig. Auch ist er einem guten Tropfen stets zugeneigt, raucht, trainiert die ihm anvertrauten Kinderchen im Boxunterricht, klüngelt mit dem Dorfpolizist, den er beim Glücksspiel regelmäßig ausnimmt. Wirkliche Herzlichkeit gibt es bei diesem Pfarrer nur zum Preis zuvor durchlittener Kaltherzigkeit, wie sich in einer Szene zeigt, in der er einen offenbar aus ärmlichsten Verhältnissen kommenden Jungen, der sich am kirchlichen Opferstock bedient hat, erst einmal gehörig auflaufen lässt, bevor er herablassend Gnade vor Strafe walten lässt.
Kremer holt sich eine junge Frau, Kitty (Erika Remberg), samt deren kränkelndem, den Künsten (und dem erotischen Super8-Film...) zugeneigten Jochen (Lutz Hochstraate) auf sein Landhaus. Zuvor stand Kitty nur in ein Handtuch gehüllt vor seinem Hotelzimmer (ein Wüstling habe ihr die Kleidung zerrissen und mitgenommen), da nahm er sie kurzerhand bei sich auf - natürlich im Wissen darum, wie man sich vor einem Spiegel positionieren muss, um als Galant der alten Schule dennoch voll auf seine Kosten zu kommen, wenn man sich schon umdreht, damit eine Dame sich bekleiden kann.
In einer Szene - der Pfarrer spielt mit den Kindern Fußball (natürlich gehen sie ihm nicht hart genug an den Ball), während Jochen sich in Schussnähe seinen Weg durch den Schnee bahnt - greift der Pfarrer unter den Augen des Dorfpolizisten zum Ball, bringt sich in Position und donnert dem verweichlichten Jüngling das Geschoss mit derartig viel Karacho ins Gesicht, dass dieser sich - quittiert vom Lachen der Polizei - im Schnee stöhnend lang legt. Der Kerl ist ihm nicht ganz geheuer, lacht sich der Pfarrer mit der Polizei eins. Für einen Film, der im Titel von Zärtlichkeiten in Hülle und Fülle schwärmt, ist dieses Stück Film gewordene Trivialliteratur aus beeindruckend viel Härte geschmiedet.
Auch deshalb erinnerte mich der Film zuweilen an die Welt aus Fix & Foxi und wie darin Lupo, als Repräsentant einer nachwachsenden Generation, die männlicher Härte und preußischem Arbeitsethos den Müßiggang vorzieht, immer wieder unter allerlei Häme gemaßregelt wird. In einer Episode interessiert sich Lupo sogar für moderne Kunst, was dazu führt, dass seine "Klecksereien" am Ende unter allgemeinem Gelächter den Flammen eines Lagerfeuers überantwortet werden.
Wobei ... soviel nackte Zärtlichkeit sich natürlich insofern absichert, dass der jungen Generation nur die bösesten Absichten unterstellt werden. In Kremers nach alter Manier eingerichteter Wohnstuben-Welt - die mit einer Küche bestückt ist, die Kitty "nie wieder verlassen wird", wie sie beim Betritt des Hauses jubelt - gibt sich alsbald ein perfide eingefädelter Plan zu erkennen, dem sich Kremer, als auserkorenes Opfer der jungen Bande, nicht nur durch alter Männer Instinkt, sondern auch durch seine in Kanada erworbene Gabe, nunmehr "auch Reißzwecken verdauen" zu können, entwindet.
Unzweifelhaft ist Hendel ein geschickter Regisseur, der für das, was er im Sinn hat, schlicht Jahre zu spät kam. Im Grunde ist er Klassizist mit einer Liebe für das amerikanische, in Wohnungen angesiedelte Drama mit cleverer Konstruktion. Tatsächlich ist ... soviel nackte Zärtlichkeit insbesondere auch als Krimi hervorragend erzählt und schafft es, sein Publikum an der Nase lange an der Nase herumzuführen. Psychotronisch von einigen Weihen ist eine Szene, in der der kränkelnde, aber stets lüsterne Jochen die junge Eva mittels Super8-Schmierfilme (deren Gehalt der Fantasie des Publikums überlassen bleibt, wie hier überhaupt alles, was im Sinne des Titels aufreizend sein könnte, durch Eigenleistung des Publikums an den Film herangetragen werden muss) in den Bann der körperlichen Lüste schlägt. Als Zeugnis eines eisernen Beharren-Wollens hat mir ... soviel nackte Zärtlichkeit herausragend gut gefallen.
Siehe auch: Lukas - Oliver
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